Es ist noch früh am morgen, kurz nach sieben, als ich den Sicherheitsbereich am Flughafen passiere und mir einen Sitzplatz am Gate suche. Ich fliege nach München und mit mir scheinbar noch viele andere Menschen. Das Gate füllt sich. Da sitzen ein paar noch schläfrige Damen und Herren, Musik hörende Teenies, leise murmelnde ältere Herrschaften und er – der Business Pavian. Sein Auftritt ist plötzlich und blitzschnell. Seine Ankunft entgeht niemanden. Kann sie auch nicht, dafür sorgt er. Sein Erscheinungsbild ist „äußerst-korrekt“, der leicht samtig schimmernde Business-Anzug sitzt perfekt. Die Sohlen der italienischen Markenschuhe machen ein besonders sonores Klick-Klack auf dem Fliesenboden. Das Haar ist gegelt und ordentlich gescheitelt. Umgeben ist er von einer Wolke (mehr oder weniger gut) duftender Essenz. In der linken Hand hält er seine lederne Business-Mappe, in der rechten sein Smartphone. Das natürlich am Ohr, wobei er den Arm weit abspreizt und somit möglichst viel Raum einnimmt. Er telefoniert, lautstark und im üblichen Businesstonfall eines wichtigen Managers – morgens um kurz nach sieben. Damit auch der letzte unaufmerksame Mitbürger von seiner Ankunft auf dem Parkett der eitlen Guck-mal-ich-bin-ein-wichtiger-Vielflieger-der-schon-am-frühen-Morgen-Entscheidungen-ins-Telefon-summt Notiz nimmt, geht er während des Gespräches auf und ab in den schmalen Gängen zwischen den Sitzgelegenheiten. Dann und wann bleibt er kurz stehen, hebt den Kopf und schaut sinnierend in die Ferne. Irgendwann ist das Telefonat beendet und der Business-Pavian setzt sich. Halt, nein, das tut er nicht. Der Business-Pavian zelebriert das Gesäß auf einem Sitzplatz niederlassen in der immergleichen Weise: Er öffnet den Mund, um ein kilometerweit zu hörendes Uuhh loszuwerden, während sein Körper mit Schwung und ohne Rücksicht auf die Umwelt in den Sitz rummst. Die ganze Sitzreihe wackelt und die noch Halbschlafenden werden jetzt entweder wach oder bekommen ein Schleudertrauma oder beides. Jetzt kehrt Ruhe ein, oder? Schön wär’s.
Der Business-Pavian zeichnet sich dadurch aus, dass bei ihm alles mit einer erhöhten Lautstärke verbunden ist. Nachdem er also seine Arme über die angrenzenden Sitzlehnen gelegt hat und so rund drei Plätze einnimmt, spreizt er seine Beine, um auch dort möglichst raumgreifend zu sein. Als wäre das nicht schlimm genug beginnt er nun Zeitung zu lesen und auch das dient nur einem Zweck: durch möglichst lautstarkes Umblättern seine Anwesenheit dokumentieren. Ja, er ist eben schon „AN“, energiegeladen, aktiv, leistungsbereit und wach. Schön für ihn, dumm für den Rest. Denn er ist nicht ein Einzelner, er ist viele. Und so füllt sich der Wartebereich mit immer mehr Pavianen, die alle in uniformem Gehabe das Revier erobern. Ich könnte jetzt noch darüber berichten, wie diese ihre-Rolle-bis-auf-den-millimeter-füllenden Herren (bei Damen habe ich das so nie beobachtet) den Flieger besteigen, ihre Mäntel verstauen und ihre Plätze einnehmen. Das können Sie sich aber schon denken.
Abends fliege ich zurück und treffe tatsächlich einige Mitflieger vom Morgen wieder. Auch einige Paviane. Und jetzt bin ich fasziniert: Sie zeigen immer noch denselben Elan, telefonieren wieder oder immer noch mit abgespreiztem Ellenbogen, marschieren auf und ab, der Anzug sitzt ohne eine Falte, das Haar liegt, die Tonlage ist weiterhin lautstark. Wow! Ich für meinen Teil hänge etwas schlaff im Sitz, denn ich habe einen langen Arbeitstag hinter mir und bin ein wenig müde. Was haben diese Herren den ganzen Tag gemacht? Wahrscheinlich doch auch irgendwie gearbeitet, oder? Es ist jedoch das identische Bild zu morgens, nichts ist anders, weniger, schwächer oder „aus der Rolle“: Eine Weile beobachte ich die Paviane noch bei ihren Riten und frage mich, was die Herren wohl machen, wenn sie daheim die Haustür aufschließen. In welcher Rolle betreten sie ihr Zuhause? Wie begrüßen sie ihre Familie, ihre Partner, ihre Haustiere, wen auch immer? Verlassen sie die Pavian-Rolle überhaupt? Tauschen sie die einfach gegen eine andere, die sie mit gleicher Inbrunst füllen? Ich hoffe, sie streifen das Pavian-Kostüm einfach ab und werden zu Menschen. Nicht mehr und nicht weniger.
In diesem Sinne … bleiben Sie erfolgreich!