Kommunikation als Körperverletzung - So klappt's auch bei Ihnen!

Wann hatten Sie das letzte Mal mit einem kommunikativen "Prachtexemplar" aus der Reihe der Immobilienmakler, Autoverkäufer oder Versicherungsvertreter zu tun? Ja, Sie erahnen es schon. Heute geht es um genau diesen Stereotyp. Genau genommen sind es ja drei, aber für mich fallen sie alle in eine Kategorie: Kommunikationsmethoden aus dem letzten Jahrtausend und eine Art mit Sprache umzugehen, die man getrost als Körperverletzung bezeichnen darf. Nun hatte ich, aus aktuellem Anlass, gerade eine Episode mit einem Immobilienmakler, an dem ich wieder lernen durfte. Es fing ganz harmlos an. Er redete über das angebotene Objekt sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, ausführlich und wurde nicht müde meinen Nachnamen mindestens 7-mal pro Satz unterzubringen. Das nervt, ist aber noch nicht so schlimm. So verging der erste Besichtigungstermin und ich war am Ende leicht genervt. So what!
Beim zweiten Termin dann lief der Makler zur Hochform auf. Klar stellt man die positiven Aspekte eines Hauses raus, wenn man es verkaufen will. Aber bitte nicht nach jeder einzelnen Anmerkung der potentiellen Käufer. Wir: "Ah, die Treppe zum Keller ist offen gestaltet." Makler: "Es doch wunderbar einen solchen Keller überhaupt zur Verfügung zu haben, bla, bla, bla." Wir: "Oh, da nebenan blüht der Raps." Makler: "Diese Aussicht ist wirklich … und überhaupt… und bla, bla, bla." Wir: "Der Dachboden ist noch nicht isoliert." Makler: "Die Ausbausreserve hier ist… bla, bla, bla." Und das natürlich mit weiterhin siebenfacher Nennung meines Nachnamens pro Satz. Würg!

Richtig "übel" wurde es am Knackpunkt der jetzigen Heizung. Für uns so nicht akzeptabel und damit ein Punkt, den wir bei diesem Haus vollständig ändern würden. Das kostet Zeit und Budget. Was nach der zarten Anmerkung dieses Aspektes geschah, lässt sich nur mit "maschinengewehrartigem Stakkato der Argumente" benennen. Eine Fallbeispiel-Sammlung von großartigen Objekten mit vergleichbarer Heizung ergoss sich auf uns - ohne Punkt und Komma, jedoch unter Nennung meines Nachnamens versteht sich.

Nun dachte ich wäre ein guter Zeitpunkt, um auf die Meta-Ebene des Gesprächs zu wechseln. Damit das mal aufhört. Dieser Versuch wurde im Keim erstickt, mir das Wort abgeschnitten und die Aufzählung von Fallbeispielen fortgesetzt. Das Kind des Ruhrpotts in mir dachte zu diesem Zeitpunkt nur noch: "Boah eh, mach'n Kopp zu!"

Gerade weil es in meinen Coachings und Trainings immer auch um Kommunikation geht, bin ich vielleicht einfach zu empfindlich (oder sensibel). Also blickte ich zu meinem Gatten, dessen Körpersprache ich seit einigen Jahren studieren darf. Und Gott sei Dank, auch er war mittlerweile auf 3000 Umdrehungen. Also nix wie raus da und das Gespräch beenden.

Warum das alles?
Als ich auf der Rückfahrt schwer genervt im Auto saß, wurde mir schlagartig klar, wofür diese Begegnung gut war. Ich hatte die wohl konzentrierteste Zusammenstellung körperverletzender Kommunikationsmittel erlebt, um Sie Ihnen in diesem Blog als Rezept zur Verfügung zu stellen. Denn hier sind sie, die ultimativen Regeln für grottenschlechte Kommunikation:

Regel 1: Bloß keine Fragen stellen
Gerade wenn Sie in einem Gespräch oder einer Verhandlung etwas erreichen (verkaufen) möchten, dann fragen Sie Ihren Gesprächspartner ja nicht nach seiner Meinung, seinen Vorlieben, Gedanken, Ideen o.ä. Sie wollen sich doch nicht wirklich mit dem Gefasel Ihrer Kunden/Kollegen auseinandersetzen, oder? Also, fragen Sie einfach NIE. Ihr Gesprächspartner wird sich wenig bis gar nicht wahrgenommen fühlen.

Regel 2: Positivismus bis zum Brechreiz betreiben
Haben Sie in früheren Kommunikationstrainings nicht auch gelernt, dass man immer das Positive herausstellen soll? Genau, also tun Sie das auch bitte - aber gründlich. Es ist dabei völlig egal, um welchen Aspekt es im Gespräch gerade geht, üben Sie sich im "Positives finden" und lassen Sie es auf Ihren Gesprächspartner hinabregnen. Das klappt bei allen Themen: Projekte, IT-Lösungen, Organisationsformen, Häuser, Urlaubsziele,… Und Einwände bitte immer nur so beantworten. Sie wollen doch nicht wirklich inhaltlich auf Einwände Ihres Gegenüber eingehen, oder?

Regel 3: Druckbetankung
Sie haben etwas zu sagen? Toll, dann raus damit. Und bitte ohne Atem-, Denk- oder Gesprächspause. Die könnte Ihr Gesprächspartner sonst für eine Frage oder Anmerkung nutzen. Also möglichst viel Information (gerne auch irrelevante) in schnellem Sprechtempo unreflektiert in Ihren Gesprächspartner pumpen. Das verwirrt, versprochen!

Regel 4: "Hurra, ich kenne Ihren Namen!"
Es zeugt von Wertschätzung, wenn man seinen Gesprächspartner mit Namen anspricht. D'accord! Es schafft Vertrauen, wenn man seinen Gesprächspartner im Verlauf immer mal wieder namentlich anspricht. D'accord! Aber darum geht es ja nicht. Wenn Sie wollen, dass Ihr Gegenüber genervt ist, dann erhöhen Sie die Namensfrequenz. Ein wirksame Relation liegt bei >7 Namensnennungen pro Satz. Wenn Sie das auch noch mit lässigem Desinteresse tun können - perfekt!

Regel 5: Die Moralkeule auspacken
Bewertungen: großes Thema - leichte Handhabung. Gut geeignete für verbale Schläge in die Magengrube sind alle ungefragten Äußerungen in Form von "…als erfolgreicher Manager betrachtet man die Situation…" oder "…wenn man nicht weiß, dass….dann…" oder "Sie müssen betrachten…." Oder , oder , oder. Lassen Sie möglichst implizit Ihren Gesprächspartner merken, dass Sie ihm (oder ihr) gerne aus der geistigen Unterbelichtung helfen. Dazu bieten Sie einfach kleinkarierte, betonierte Moralvorstellungen an. Das wirkt!

Regel 6: "Die Welt dreht sich um mich!"
Reden Sie doch bitte einfach immer über sich selbst, ihre eigenen Erfahrungen, ihre Meinung, ihren Standpunkt, ihre … Das hat den Vorteil, dass Sie sich mal einiges von der Seele reden können und Ihr Gesprächspartner genau weiß, wie Sie die Welt sehen. Denn Sie wollen doch nicht wirklich die Sichtweise des Anderen hören, oder? Ihre eigene ist eh viel wichtiger und auch die einzig richtige. So!

Regel 7: Meine Meinung ist meine Meinung ist meine Meinung
Die Regeln 1 bis 6 haben Sie jetzt hoffentlich drauf. Dann können Sie mit dieser letzten "den Sack zumachen" und die Grenze zur Körperverletzung überschreiten. Egal worum es geht, egal was Ihr Gesprächpartner gerade will, egal welchen Einwand er eventuell hat, lassen Sie sich nicht beirren und wiederholen Sie Ihre Argumente stetig und ohne Unterlass. Das ist einfach und bequem und Sie müssen auch gar nicht hinhören im Gespräch. Damit es wirklich schmerzt muss Ihre Argumentation vorgetragen werden wie ein Mantra.

So, jetzt können Sie in den Ring steigen. Nein? Sie sind nicht gut genug trainiert? Kein Problem: finden Sie in den oben genannten Berufgruppen ein "Prachtexemplar" und lassen sich etwas verkaufen. Das garantiert Ihnen einen exzellenten Sparring und einen bleibenden Eindruck bei Ihren Gesprächspartnern.

In diesem Sinne … bleiben Sie erfolgreich!


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