Die ewigen x-Punkte Pläne

Werfen Sie heute einen Blick auf die Startseite von CIO.de, so werden Sie mit einer Flut von "Checklisten-Beiträgen" begrüßt. Ich zitiere - "Die 7 IT-Todsünden", "Die fünf häufigsten Management-Fehler", "11 Ratschläge gegen Burn-Out", " 7 Ratschläge für Kommunikation im Projekt", "Die 4 schlimmsten E-Mail Sünden" und so weiter und so fort. Die ewigen x-Punkte Pläne nerven mich ja schon lange, also ging ich mal googlen (oder surfen, wie es früher hieß). Von A wie Abnehmen bis Z wie Zahnpflege findet sich eine gefühlte Fantastillion Checklisten im Internet für alle möglichen und unmöglichen Belange des Lebens. Für den Fall einer Trennung vom Lebenspartner sagt der Focus, dass folgende Schritte in definierter Reihenfolge zu tun sind: Unterlagen sichern, Anwalt aufsuchen, Auskunft fordern, Unterhalt einfordern. Ist doch gar nicht so schwer, oder? Die Symptom-Checkliste für Hämorrhoiden 1. Grades erspare ich Ihnen an dieser Stelle.

Wie sieht es denn bei P wie Projektmanagement zum Thema Checklisten aus? Das ist natürlich eine rhetorische Frage, denn die Menge ist gigantisch. Eine Checkliste für den Projektauftrag, eine für Sitzungen, eine für das richtige Delegieren, eine für die Ziele, eine für Aufwandschätzungen, eine für das Risikomanagement, eine….. So könnte die Aufzählung weiter gehen. Besonders gefallen hat mir die "Checkliste zur Überprüfen der Vision und des Leitbildes". Irgendwie ambivalent, oder? Da erarbeiten Teams (oder wer auch immer) eine Vision, die emotional resonanzfähig ist und das Projekt trägt und dann haken wir rational ab, ob sie auch taugt. Da beißt sich's und zwickt ein bisschen…

Egal welcher Anlass - es gibt einen Plan

Jetzt aber mal im Ernst: Warum gibt so unzählig viele Checklisten für jeden Anlass? Weil die Nachfrage da ist. Und warum gibt es eine so hohe Nachfrage? Weil Checkliste uns Sicherheit und Orientierung geben. Das tun sie nur vermeintlich und die Sicherheit ist trügerisch, aber das können wir leichter verknusen als die generelle Unsicherheit unserer selbstgeschaffenen Welt. Schauen wir noch mal auf die Überschriften der aktuellen Listen, dann finden sich dort fast ausschließlich "komplexe" Thematiken. Also genau die Themen, bei denen wir keine Linearität mehr haben und keine offensichtlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (bei Hämorrhoiden kann ich das allerdings nicht genau sagen). Das ist nicht für jeden Menschen gleich gut auszuhalten. Einige, vor allem die "Ingenieurs-Denkenden" bevorzugen die lineare Welt und überführen auch die komplexesten Sachverhalte durch Vereinfachung gerne wieder in die Ordnung zurück. Da kommen ihnen Checklisten bestens entgegen. Denn die tun genau das. Vereinfachen, einen Plan geben, Linearität vorgaukeln. Das an sich ist ja nicht schlimm, aber die Wirkung dieser "5 Punkte für…"-Aufzählungen geht noch darüber hinaus.

Die Vorannahmen über die Welt werden gleich mitgeliefert

Jede Checkliste ist üblicherweise so geschrieben, als würde sie die wirkliche Wirklichkeit abbilden. Klar, kein Autor einer solchen Liste schreibt "…einige, wenige Punkte, die nicht vollständig sind und nur meine Wirklichkeit darstellen….". Keine Redaktion würde das drucken und kein Leser lesen wollen. Also liefern diese Punkte-Pläne entsprechende Vorannahmen mit. Beispiel - die 4 schlimmsten E-Mail Sünden. Aha, es gibt Sünden im Umgang mit Email. Die schlimmsten (es gibt also auch einfach schlimme) werden in der Liste benannt. Übersetzt bedeutet das, wer also zum Beispiel eine unklare Betreffzeile (ja, das ist tatsächlich eine der benannten Sünden) formuliert ist in einem unvollkommenen Zustand und frönt einer falschen Lebensweise, und das in schlimmster Form. Ich persönlich stelle gerade fest, dass ich in E-Mail Sünde lebe. Tja, das ist schlimm!

Auch wenn meine Interpretation überspitzt ist, so haben solche Vorannahmen trotzdem eine starke Wirkung. Beim Lesen nehmen wir sie unbewusst als Wahrheit auf und verlassen uns mitunter darauf, dass der entsprechende Artikel bzw. die Checkliste uns die Welt erklärt. Damit schränken sie unsere eigene Wahrnehmung ein und liefern uns die Bewertungsmaßstäbe für den Kontext mit. Das genau ist der Punkt, der uns vermeintlich Sicherheit gibt und die Komplexität der Welt als einfach erscheinen lässt.

Das Gegenmittel: Wahrnehmung und Denkvermögen einschalten

Gerade wenn wir uns in komplexen Projekten, Organisationen oder Situationen befinden, brauchen wir unsere erweiterte Wahrnehmung. Unsere Intuition ist ein wesentliches Instrument zur Entscheidungsfindung. Fehler sind notwendig, weil die Zukunft sich nicht vorhersagen lässt. Ausprobieren und Reagieren sind die Handlungsmaxime. Da passen Checklisten nur bedingt rein. Machen wir uns also bewusst, dass diese Pläne nur eine eingeschränkte und vor-bewertete Darstellung der Wirklichkeit sind und denken wir selber weiter. Am besten betrachten wir Checklisten als "Startpunkt" für die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema. Gleichzeitig schadet es sicher nicht bei Gelegenheit mal im eigenen Projekt auszumisten. Statt die vorhandenen Checklisten zu optimieren kann die Frage auch lauten "Welche können weg?". Und wenn wir dann für die entsprechenden Kontexte die richtigen Checklisten haben und verwenden (im Sinne von mehrwertstiftend), dann werden es sicher nur noch wenige sein. Die allerdings machen dann auch Sinn.

In diesem Sinne … bleiben Sie erfolgreich!


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