"Stirb langsam" - oder: Projektkommunikation

Haben Sie im Laufe Ihres Arbeitslebens auch schon unzählige Artikel zum Thema "Projektkommunikation" gelesen? Ich leider auch. Dabei komme ich mir häufig vor als würde ich mitten in "Täglich grüßt das Murmeltier" stecken. Die gleichen Aussagen, die gleichen Diagnosen, die gleichen Tipps, die gleichen Floskeln. Ungefähr so wie Projektkommunikation in vielen Unternehmen gehandhabt wird - im regelmäßigen Turnus standardisierte Templates mit Worten befüllen und hoffen, dass jemand Notiz vom Inhalt nimmt. Wenn nicht, auch nicht schlimm. Daran haben wir uns längst gewöhnt.

Gestern also fiel mir wieder so ein Artikel à la "Kommunikation ist entscheidend und wird immer noch vernachlässigt" in die Hände. Darin ging es unter anderem darum, dass Email als Hauptkanal der Projektkommunikation nicht geeignet sei und dass gute Tools zum Wissensmanagement noch zu wenig genutzt würden. Aha, wir sollen also mehr miteinander reden. Sehr guter Punkt! Das mit den Tools ist so eine Sache, würde mich jetzt aber zu weit vom Thema abbringen. An dieser Stelle möchte ich meine "50 Cent" zur Menge und zur Verpackung von Kommunikation im Projekt formulieren. Die vielen, vielen anderen Facetten besprechen wir ein anderes Mal.

"Der Herr der Menge"

Gerade in großen Organisationen wird gerne viel und ausführlich kommuniziert, vor allem schriftlich. Das dient oft gar nicht so sehr zum Herstellen von Transparenz sondern vielmehr dazu "den eigenen Kasten sauber zu halten". Wie dem auch sei, ich selber habe schon häufig vor per Email verteilten Präsentationen gesessen, die mit mehr als 60 Folien noch zum unteren Drittel (bezogen auf den Umfang) gehörten. Je komplexer und größer ein Projekt, desto mehr Daten und Informationen werden erhoben, gesammelt, aufgeschrieben und verteilt. Und damit keiner sagen kann "Ich hab das nicht gewusst" verteilt man gerne auch doppelt. Es wird erwartet, dass die Empfänger die Informationen lesen und zur Kenntnis nehmen. Ok, wird (manchmal) gemacht, obwohl das allein schon Zumutung genug ist. Aber dann kommt's noch schlimmer. Beim nächsten Teammeeting werden die Folien noch einmal per Beamer an die Wand geworfen und vorgetragen (bitte hier wahlweise das Wort "vorgelesen" einsetzen). Das grenzt an Körperverletzung und sorgt dafür, dass wir immer weniger verstehen. Das "immer weniger verstehen" führt dann paradoxerweise meist dazu, dass wir glauben mit mehr Informationen den Schleier der Unverständnis lichten zu können.

Der Mensch an sich ist nicht dazu ausgelegt Unmengen Informationen zu verarbeiten. Er ist dazu geschaffen relevante Information zu verarbeiten. Wir brauchen zur Analyse einer konkreten Situation nicht alle möglichen Informationen, sondern die relevanten. Begegnen wir einem Löwen in der Savanne neigen wir nicht dazu erst sämtliche Daten zu erheben bevor wir reagieren. Die relevanten Informationen wie Raubtier, Nahrungskette, Feind reichen aus, um uns zur Flucht zu bewegen. Im Arbeitsleben ist es zur Angewohnheit und Kultur geworden diesen SituationdurchrelevanteInformationenerfassen-Mechanismus auszuhebeln und uns mit Flutwellen von Bits und Bytes in die Verwirrung zu schicken. Das Gegenmittel: weniger ist mehr in der Auswahl zu verteilender Informationen. Trauen Sie sich wegzulassen und auszuwählen, es lohnt sich und die Empfänger werden es Ihnen danken.

"Der Tod steht ihr gut"

Besagter Artikel übrigens postulierte, dass es an der Institutionalisierung der Kommunikation fehle und an der Disziplin, vereinbarte Standards einzuhalten. Mal ganz ehrlich, viele Menschen rollen mit den Augen bei den Begriffen. Denn der Versuch über Planung, Standardisierung, Systematisierung, Templates und Vorgaben sowohl der Menge als auch der Art und Weise eine Leitplanke zu bieten, hat für eines gesorgt: es macht einfach keinen Spaß! Und das wird von Führungskräften und Projektleitern vorgelebt und führt zum frühen Ableben der Projektkommunikation. Alle Wiederbelebungsversuche durch Ermahnung zur Abgabe oder Vereinfachung von Templates macht sie auf Dauer nicht schöner und bringt den Spaß nicht zurück. Achten Sie mal darauf, wie Menschen kommunizieren, wenn sie unter Freunden oder in der Familie zusammenkommen. Sofort beginnen sie Episoden und Geschichten (meist gemeinsam erlebte) zu erzählen. Die sind nicht langwierig, sondern kurz auf den Punkt gebracht und dienen dazu Identität zu stiften und Erfahrungen weiter zu geben. Mir persönlich gefällt die Frage, wie sich diese Beobachtung in die Projektkommunikation integrieren lässt.

Die Maske - Verpackung ist wichtig!

Ich sage es hier mal deutlich: PowerPoint ist ein Präsentations-Tool und keine Textverarbeitungs-Software. Es ist für die Verbreitung von Informationen in Fließtext gänzlich ungeeignet!!! "Das wird bei uns aber so erwartet" ist oft ein Einwand an dieser Stelle. Wirklich? Death-by-powerpoint wird erwartet? Wer kann das wollen? Und wozu? Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt ist, dass alle Zuhörer in Ruhe Emails bearbeiten können während der Vortragende sich durch die Folien hechelt. Ganz ehrlich, da könnten Alle ihre Zeit sinnvoller verbringen. Ich will ja auch nicht nur "kritteln" und den Eindruck erwecken, als sei Hopfen und Malz in der Projektkommunikation schon verloren. Im Gegenteil, ich möchte ein paar Ideen stiften und zum Ausprobieren anregen.

Die Verpackung der Informationen hat einen riesigen Einfluss auf die Empfänger - auf ihre Begeisterung beim Zuhören, ihre Empfangs- und Verhandlungsbereitschaft, ihre Laune. Das sollten wir uns zunutze machen. Möglichkeiten gibt es unzählige und die folgenden können Sie einfach ausprobieren:

Führen Sie einen ppt-freien Projekttag ein. An dem darf auch in Meetings kein Folienvortrag verwendet werden. Stattdessen darf am Flipchart und am Whiteboard gearbeitet werden. Bedingung: Grafiken und Bilder statt Text. Finden Sie für die wichtigen Dinge, die Sie transportieren wollen ein Bild. Es gibt immer ein Bild. Die Vortragenden dürfen gerne auch Gegenstände und Dinge mitbringen, um ihre Ausführungen zu unterstreichen. Ein Wackeldackel für Unschlüssigkeit oder ein Türschloss für das Beenden eines Arbeitspaketes. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, arbeiten Sie mit Metaphern, Fabeln, Anekdoten, Kinofilmen oder, oder, oder. Aber Vorsicht: es könnte Spaß machen und zu guter Stimmung führen!

Und jetzt kommt eine ganz "verwegene" Idee: Verschicken Sie Post. Vor wichtigen Verhandlungsterminen, Pilotphasen, Abnahmetests etc. versenden Sie gestaltete Mailart an die entsprechenden Personen. Passend zum Thema, zum Projektnamen, zum Unternehmen oder zur Person kreieren Sie eine Karte oder einen Brief oder ein Paket oder ein "Ding". Die Wirkung ist auf jeden Fall groß: es überrascht, es macht neugierig, es macht gute Laune, es macht offen, es schafft Verbindung, es stärkt Vertrauen. Was Sie dazu brauchen? Nur ein wenig Mut, etwas Anders zu machen.

In diesem Sinne … bleiben Sie erfolgreich!


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